Startseite

zur Galerie ...
Documenta

Antisemitica

Publikationen

Neuerscheinungen

Links

Zitate

Presse

Aktuelles

Mein Blog

Termine

Gästebuch

Impressum

Regina Schleicher: Spott auf einem schmalen Grat – Der Schlemiel, eine frühe zionistische Satirezeitschrift

Die von Max Jungmann herausgegebene deutsch-jüdische Satirezeitschrift Der Schlemiel veröffentlichte Artikel und Karikaturen, die Stellung zum Antisemitismus, zur Frage der Assimilation und zum frühen Zionismus in Deutschland bezogen.
In Anlehnung an Erik Petrys Darlegungen in dem Band „Ländliche Kolonisation in Palästina – deutsche Juden und früher Zionismus am Ende des 19. Jahrhunderts“ (Köln u.a. 2004) wird die kurze Geschichte der Zeitschrift in einem Dreieck zwischen der Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus, dem Kampf von Jüdinnen und Juden um gesellschaftliche Anerkennung und einer kontinuierlichen Identitätskrise und -suche interpretiert. In der Satirezeitschrift bildet sich ein Prozess ab, in dessen Verlauf die Abgrenzung zu anderen Positionen deutscher Jüdinnen und Juden gegenüber Antisemitismus und Zionismus immer deutlicher wurde.
Die Satiriker der Zeitschrift beschritten in vielen Fällen problematisches Terrain, beispielsweise indem sie Assimilation und Antisemitismus in einen engen Zusammenhang brachten und auf Vokabeln und Darstellungsweisen zurückgriffen, die auch in antisemitischem Zusammenhang Verwendung fanden. Die Versuche des Schlemiel, den antisemitischen Diskurs umzukehren und sich dabei weiterhin einer ironischen Darstellungsweise zu bedienen, führten indes einen bewussteren Umgang mit den gesellschaftlich stark verbreiteten antisemitischen bildlichen und textlichen Diskursen vor. Hier beschränkte sich Der Schlemiel nicht darauf, seine Hiebe innerhalb des deutschen Judentums auszuteilen, sondern arbeitete selbst an der Entwicklung einer Diskursstrategie gegen den Antisemitismus.
So gelang es dieser kurzlebigen Zeitschrift, mit allem Optimismus hinsichtlich der Umsetzung zionistischer Pläne, zugleich politisch deutlich und erfrischend heiter zu sein. Eine solche, zunächst aufgrund ihres kurzen Erscheinens und
ihrer geringen Auflage marginal wirkende Publikation stellte einen ausgesprochen wichtigen Beitrag zur deutsch-jüdischen Presse im Kaiserreich dar.
Von den Rändern her gesehen, kommt die Vielfalt und auch die Heftigkeit der Kontroversen, die das deutsche Judentum in dieser Zeit führte, aus einer Art immanenter Außenperspektive zum Ausdruck. In den sich hier manifestierenden politischen Brüchen und Diskursverschiebungen offenbart sich die Prozesshaftigkeit der Auseinandersetzung von Juden und Jüdinnen mit dem Antisemitismus, mit dem Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung und gesellschaftlichem Aufstieg sowie mit den Widersprüchen, die sich hieraus ergaben. Die Verliererfigur des Schlemiel stellt sich mit aller Empörung, aller Intellektualität und allem Witz letztlich als besonders luzide und folglich als überlegen dar.
 

 
Design © Abel Doering